In Schwedisch Lappland geht im Sommer die Sonne nicht unter (2025)

Schweden ist nicht unbedingt das erste Ziel, das sonnenhungrigen Reisenden in den Sinn kommt. Und Schwedisch Lappland, das viele eher mit Winterurlaub verbinden, noch weniger. Dabei sollten gerade Sonnenanbeter im Sommer gen Nordschweden reisen.

Die Lichtstimmung hat etwas Magisches. Von dem etwa 193 Meter hohen Berg Luppio bei Övertorneå hat man eine atemberaubende Aussicht ins Torne-Tal. Ein Meer aus saftig grünen Wäldern erstreckt sich am Horizont. Es ist weit nach Mitternacht, doch der Himmel leuchtet in den schönsten Abendrot-Farben. Das Licht der Mitternachtssonne spiegelt sich im Torne älv – jenem insgesamt 410 Kilometer langen Fluss, der dem Tal seinen Namen gibt. Dunkel wird es hier in der Zeit von Ende Mai bis Ende Juli nicht. Im Herzen Lapplands, wie die von Flusstälern, sanften Hügeln und dichten Wäldern geprägte Region im östlichen Teil Schwedisch Lapplands auch genannt wird, verschwimmen Tag und Nacht fast miteinander. Das spüren Reisende auch am eigenen Leib: Wirklich müde wird man selbst um 2 Uhr nachts nicht. Die Mitternachtssonne schenkt ungeahnte Energie.

Das Mehr an Licht schenkt „doppelt so viel Sommer“

Diese Energie wissen auch die Einheimischen zu nutzen. Weil ihnen die Mitternachtssonne bezogen auf das zur Verfügung stehende Licht „fast doppelt so viel Sommer“ schenkt wie anderswo, ist Landwirtschaft möglich, die hier, direkt am arktischen Polarkreis, wohl niemand vermutet hätte.

Åsa und Pelle Pesula zum Beispiel bauen auf ihren Feldern in der Gemeinde Haparanda Senf an und sind damit die nördlichsten Senfproduzenten der Welt. „Ohne das Licht der Mitternachtssonne wäre das nicht möglich, da die Pflanzen nicht genug Zeit hätten, um heranzureifen“, erklärt Pelle Pesula. Gut mit dem arktischen Klima und den kurzen Sommern zurecht kommt auch die Pflanze, aus der der Landwirt, der zehn Jahre Bus- und Taxifahrer war, bevor er den Hof von seinem Vater übernahm, das „Rybsolja“ herstellt. Ein Öl, das unserem Rapsöl sehr nahe kommt. All ihre Produkte – nebst Senf und Öl gibt es auch Wodka, hergestellt aus der Gerste, die sie anbauen, oder selbstgemachtes Eis von der Milch ihrer Kühe – verkauft Pelles Frau Åsa in ihrem kleinen Hofladen. Die Arbeit mit den Tieren und der Natur erfüllt sie. Noch bis vor wenigen Jahren war sie Kindergärtnerin – doch sie gab ihren Beruf für die Landwirtschaft auf. „Jetzt bin ich glücklicher“, sagt sie mit einem mehr als überzeugenden Strahlen im Gesicht.

Die Philosophie des Sami-Volkes

Wie glücklich und zufrieden das Leben in der Region und im Einklang mit der Natur macht, zeigen auch Pia und Henry Huuva. Henry ist Sami, gehört also zu jenem indigenen Volk des Nordens, das bis heute im Sápmi – dem Siedlungsgebiet beziehungsweise Kulturraum der Samen, der sich über die nördlichen Teile Norwegens, Finnlands, Schwedens und der Kola-Halbinsel erstreckt – beheimatet ist. Seine Frau Pia ist gebürtige Schwedin. „Aber ich fühle mich wie eine Sami“, sagt sie. Sami zu sein, habe nur in Teilen damit zu tun, samisches Blut in sich zu haben. „Vor allem heißt Sami zu sein, Teil einer Kultur zu sein“, erklärt sie. Rund 20000 Samen leben in Schweden, sagt Henry. „Die Zahl ist aber verfälscht und meint nur die, die auch wahlberechtigt sind. In Wahrheit sind es wahrscheinlich doppelt so viele.“

Die Kultur und Geschichte des Volkes, aber auch deren kulinarische Traditionen für Gäste erlebbar zu machen, haben sich Pia und Henry auf die Fahnen geschrieben. Im kleinen Dorf Liehittäjä, umgeben von Natur, betreiben sie mit ihrer Tochter Maja das Huuva Hideaway. „Irgendwo im Nirgendwo und trotzdem mitten im Geschehen“, das sagt Pia über die Lichtung im Wald, auf der ein langer Holztisch und Bänke, gepolstert mit kuschelweichen Rentierfellen, zum Sami-Mittagessen im Freien auf die Besucher warten. Doch zuvor heißt es mitarbeiten: die Deko für den Tisch und die Gerichte des Mittsommer-Menüs müssen gesammelt werden.

Während die Gäste durchs Dickicht streifen, Rinde, Zapfen oder die essbaren Fichtenspitzen sammeln und dabei gebannt Pias enormes Wissen über Flora und Fauna aufsaugen und ihren Erzählungen über die samische Lebensphilosophie lauschen, steht Henry Huuva in der Outdoor-Küche und bereitet die Brennnesselsuppe zur Vorspeise zu. Er trägt ein traditionelles samisches Gewand, den Kolt. Die Muster und Streifen auf der Kleidung bilden eine Art Code, erklärt Henry. „Daran erkennt man, aus welcher Region jemand kommt und aus welcher Familie er stammt.“ Traditionell wird die Tracht selbst gemacht. Mit Werkzeugen aller Art kann Henry umgehen. Neben seinem Beruf als Koch hat er auch als Schreiner gearbeitet, Möbel gefertigt. „Sami machen alles, oder sehr viel von dem, was sie brauchen, selbst“, erklärt er. „Aber wir nehmen nie mehr Ressourcen aus der Natur, als wir benötigen.“

Diese Sami-Philosophie beherzigt das Ehepaar. Sie bewirten und beherbergen immer nur eine kleine Zahl an Gästen. „Wir wollen nicht zu groß sein. Wir mögen die persönliche Note. Denn wir sind auch selbst die Ressourcen“, sagt Pia und lächelt, während sich am Himmel gerade die Sonne durch die Wolken kämpft und Pia wie zur Bestätigung mit ihren warmen Strahlen übers Gesicht streift.

Redakteurin Carolin Federl reiste auf Einladung von Visit Sweden und Heart of Lapland.

INFO
Schwedisch Lappland ist die einzige schwedische Region, die an zwei Länder grenzt: Norwegen und Finnland. Das arktische Gebiet macht ein Viertel der Fläche Schwedens aus und gilt als Land der Mitternachtssonne und des Nordlichts.

ANREISEN
Von München mit dem Flugzeug nach Stockholm. Dann per Flieger weiter nach Luleå.

ÜBERNACHTEN & ERLEBEN
Nordic Lapland Resort: Moderne Strandhäuser mit privater Sauna. Tolle Lage in einer arktischen Lagune am Bottnischen Meerbusen. Infos: www.nordiclapland.com
• Über das Nordic Lapland Resort können diverse Outdoor-Aktivitäten gebucht werden. Mattias Johansson von „Nordic Life Experience“ bietet Touren mit Kanu, Stand-Up-Paddle, Hydrobike, Fatbike, Wandern, Schneeschuhwandern an. www.nordiclifexp.se
Haparanda Stadshotell: Geschichtsträchtiges Haus aus der Zeit der Jahrhundertwende. www.haparandastadshotell.se
Lapland View Lodge: Die 40 Holz-Chalets fügen sich fast nahtlos in den Luppio-Berg ein, in den sie hineingebaut sind, und bieten einen traumhaften Panoramablick ins Torne-Tal. Die Lodge sowie fünf weitere Lodges in der Region gehören zum Familienunternehmen „Explore the North“. Das Herz der Familie schlägt für das Hundeschlittenfahren, weshalb zu jeder Lodge ein Husky-Zwinger gehört. Die Hunde stehen Urlaubern für verschiedene Aktivitäten zur Verfügung – zum Beispiel für Spaziergänge. www.explorethenorth.se
Kukkolaforsen: Hier kann man von Mathias Spolander die Tradition des Kescherfischens im Torne-Fluss lernen.

www.heartoflapland.com
www.visitsweden.de

In Schwedisch Lappland geht im Sommer die Sonne nicht unter (2)

Toller Ausblick aus einem Chalet der Lapland View Lodge.

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Am Ufer des Torne liegt Kukkolaforsen. Hier kann man die Geschichte der Fischerei der Region erleben und selbst das Kescherfischen probieren.

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Mit dem Kanu am Bottnischen Meerbusen in den Sonnenuntergang paddeln kann man mit Mattias Johansson von „Nordic Life Experience“.

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Pia Huuva macht Sami-Kultur erlebbar und bringen sie auch ihren Gästen nahe, wenn sie mit ihnen durch den Wald streift und Geschichten erzählt.

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Henry Huuva serviert unter freiem Himmel traditionelle Sami-Gerichte.

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Ihre verschiedenen Senfsorten zeigt Åsa Pesula bei der Verkostung.

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Wie aus Birkenholz die typische Holztasse „Kuksa“ gemacht wird, zeigt Mika Korkeaniemi von „Forest Jewel“.

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Author: Rubie Ullrich

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